der VW Typ 4
der VW Typ 4
Der Grosse Volkswagen
Der neue VW 411 stellte 1968 für das Volkswagenwerk einen bedeutenden Schritt dar, wie ihn die Wolfsburger zu der Zeit nur selten taten: Einen Schritt zu einer völligen Neukonstruktion, einen Schritt in eine höhere Preisklasse und einen weiteren Schritt zur Typenvielfalt. Denn der 411 war ein zusätzlicher, größerer Volkswagen, der keines der bisherigen Modelle ablöste. VW in Wolfsburg rechnete ihn zur "gehobenen Mittelklasse".
Im Detail gesehen, war der 411 sogar die bedeutendste Neuentwicklung des Volkswagenwerks seit dem Käfer; bedeutender beispielsweise als der Typ 3 (1500/1600), der sich konstruktiv noch stärker an den Käfer anlehnte. Der VW 411 war der erste VW ohne Plattformrahmen, der erste mit Schraubenfedern, der erste mit (wahlweise) vier Türen und der erste mit serienmäßigen Gürtelreifen. Das riesige Wolfsburger Entwicklungszentrum, in dem nicht weniger als 5000 Menschen mit dem automobilen Fortschritt beschäftigt waren, hatte hier erste Früchte gezeigt.
Karosserie: styled by VW
Freilich hatten sich die Wolfsburger Konstrukteure, wie es damals ihre Art war, auch beim großen VW nicht allzu weit vorgewagt. Man sieht es dem 411 schon äußerlich an: Seine Silhouette zeigt Anklänge an das 1600 Fließheck-Modell, und an keiner Stelle wurde stilistisches Neuland betreten. Auffallend wirkt der lange Karosserieüberhang vor der Vorderachse; der Typ 4, wie der 411 werksintern heißt, hat 10 cm mehr Radstand (2500 mm) als der Typ 3 und ist mit 4525 mm um 300 mm länger. Im langen Bug, ist ein für einen Heckmotorwagen ungewöhnlich großer Kofferraum untergebracht, der sein Fassungsvermögen von ca. 400 Liter einer zur damaligen Zeit neuen, raumsparenden Vorderachskonstruktion verdankt. Noch mehr als außen werden die Abmessungen des 411, der immerhin 25 mm länger ist als ein BMW 2000, im Innenraum sichtbar: die beträchtliche Innenbreite und der komfortable Rücksitzraum sind den zu der Zeit knappen Volkswagen-Maßstäben eindeutig entwachsen. Durch die erst relativ weit hinten abfallende Dachpartie wurde eine gute Kopffreiheit über den Rücksitzen erzielt. Hinter den Rücksitzen existiert noch eine tiefe, selbst Reisetaschen fassende Ablage. Hinter dem großflächigen Heckfenster öffnet sich eine relativ schmale Motorhaube, durch die das Antriebsaggregat nicht gerade bequem zugänglich ist.
Für gute Rundumsicht wurde durch große Glasflächen gesorgt. Markante Punkte der Karosserie sind die großen Halogen-Scheinwerfer, die ebenfalls üppig bemessenen, rückwärtigen Leuchteinheiten sowie die durch Chromeinfassungen betonten Radausschnitte. Bei Blechreparaturen weis man die abschraubbaren Kotflügel zu schätzen. Die Batterie unter dem Fahrersitz ist, wie bei allen VW-Typen etwas umständlich zugänglich, aber recht gut vor Kälte geschützt. Das Ersatzrad liegt flach im Wagenbug. Wie die massiven Stoßstangen, an denen man sicherlich das 1020 kg (viertürig: 1040 kg) schwere Auto hochheben könnte, war die gesamte Karosserie äußerst solide und gut verarbeitet; Volkswagen-Qualität für die gehobene Mittelklasse.
Motor: Zuverlässigkeit vor Schnelligkeit
Im Motorraum bietet sich der gewohnte Anblick des flachen Vierzylinder-Boxermotors mit Luftkühlung. Sein Hubraum betrug bei der Markteinführung des 411 genau 1679 ccm, die den großen VW also in die 1,7 Liter-Klasse einstuften. Mit den Kolbenmaßen von 90 x 66 mm war die 411-Maschine die kurzhubigste aller VW-Maschinen; bei der Nenndrehzahl von 4500 U/min unterliegt sie einer Kolbengeschwindigkeit von nur 9,9 m/s. Mit einer niedrigen Verdichtung von 7,8:1 kam der Motor ferner mit Normalbenzin aus. Das Motorkonzept war indes völlig klar und typisch wolfsburgisch: nämlich Verzicht auf hohe Leistung zugunsten von Wirtschaftlichkeit und Langlebigkeit. Auch in der gehobenen Preisklasse vertraute VW auf seine alten Trümpfe.
Das Getriebeangebot für den 411 umfasste das bekannte, vollsynchronisierte Vierganggetriebe mit Mittelschaltung und das damals ebenfalls schon bewährte automatische Getriebe mit Drehmomentwandler. Bei letzterem musste die Bequemlichkeit der Automatik mit einem geringfügig schlechteren Wirkungsgrad etwas weniger Höchstgeschwindigkeit und Beschleunigung, etwas mehr Verbrauch) erkauft werden. Natürlich erwarteten die Wolfsburger von ihrem Großen keine Käfer-Stückzahlen. Auch für sie zeigten die Zeichen auf Typenvielfalt, und der 411 war nur ein weiterer Schritt dazu. Mit dem neuen Typ4 erweiterte sich die Modell-Palette von VW immerhin auf insgesamt 17 Personenwagen.
Ausstattung: für gehobene Ansprüche
Dass das Volkswagenwerk mit dem 411 einen gehobenen Käuferkreis ansprechen wollte, hat sich nicht nur im Preis dokumentieren, sondern auch in der anspruchsvollen, gut durchdachten Innenausstattung. Während über die äußere Form die Meinungen auseinander gehen, ist das Innere stilistisch ansprechend gestaltet: Große, klar ablesbare Rundinstrumente sowie übersichtlich sortierte Knöpfe und Bedienungshebel sind positiver Ausdruck der unerschütterlichen Wolfsburger Sachlichkeit.
Großer Entwicklungsaufwand scheint in den Vordersitzen zu stecken, die nicht nur körpergerecht modelliert sind, sondern neben der üblichen längs- noch eine HöhenversteIlung haben. Die Luxusversion vom 411 (L-Ausführung) verfügt zusätzlich über höhenverstellbare Rückenstützen in den Lehnen, die sich bis zur Liegeposition neigen lassen. Hinten haben beide Ausführungen eine Mittelarmstütze.
Nicht weniger sorgfältig wurde die Heizung und Belüftung konzipiert: Das thermostatisch geregelte Heizsystem hat eine Benzin-Zusatzheizung, die zugeschaltet werden kann, wenn die Motorwarmluft nicht mehr ausreicht. Auch bei abgeschaltetem Motor kann die Benzin-Heizung als Stand oder Vorwärmheizung benutzt werden. Darüber hinaus gehörte noch eine elektrisch beheizbare Heckscheibe zur Serienausstattung bei der Markteinführung. Die Frischluftzufuhr durch verstellbare Rosetten konnte durch ein Zweistufengebläse unterstützt werden.
An Ablagen gab es neben dem Handschuhfach ein kleines Bord links unter dem Armaturenbrett (praktisch für den Fahrer) sowie Taschen hinten an den Sitzlehnen. Im Handschuhfach versteckt befand sich der Riegel für die Kofferraumhaube, während die hintere Motorhaube im Türausschnitt entriegelt wurde. Ein dritter, kleiner Zughebel öffnete die Tankklappe am vorderen Kotflügel. Beim Viertürer wurden auch Kindersicherungen nicht vergessen, die unauffällig an der schmalen Seite der hinteren Türen angebracht waren. In Karosserie und Ausstattung steckt eine Reihe von Sicherheitselementen, mit denen sich das Volkswagenwerk auch in den 1960 Jahren als großer Amerika-Lieferant intensiv auseinander setzte. Den damaligen Erkenntnissen gemäß, bestand die 411-Karosserie aus einem stabilen Passagier-Gehäuse und beim Aufprall leichter nachgebenden, stoßverzehrenden Wagenenden. Eine Sicherheitslenksäule, Polsterauflagen auf Lenkradnabe und Armaturenbrett sowie die konsequente Vermeidung spitzer und scharfer Formen im Innenraum halfen weiterhin das Verletzungsrisiko zu verringern. Auch eine Warnblinkanlage ist serienmäßig eingebaut worden, worüber heute keiner ansatzweise mehr nachdenkt.
Fahrwerk: flache Achse
Auch in den großen VW übernahmen sie den Hecktreibsatz, den luftgekühlten Vierzylindermotor und die großen, schmalen 15er-Räder. Der technische Fortschritt des 411 lag in einzelnen Aggregaten nicht in der Grundkonzeption. Dennoch stellte das gesamte Fahrwerk eine komplette Neuentwicklung dar: Es besteht nur noch aus Vorderachse und Hinterachse mit Getriebe; der Bodenrahmen der anderen VW Modelle wurde aufgegeben. Eine entscheidende Neuerung mit großen Vorteilen für die Raumausnutzung im Vorderwagen stellte die Vorderachskonstruktion mit Federbeinen dar, wie sie auch Porsche verwendete. Die Vorteile der Konstruktion liegen darin, dass die als Feder/Dämpfer-Einheiten ausgebildeten und gleichzeitig der Radführung dienenden Federbeine keinen Platz in der Achsmitte beanspruchten, sondern in den Kotflügeln stehen. In Achsmitte liegen nur noch sehr flach bauende Teile, wie Schubstreben, Querstabilisator und die Kugelumlauflenkung, die mit 3 1/2 Lenkradumdrehungen von Anschlag zu Anschlag ziemlich direkt arbeitet.
Hinten kam selbstverständlich die VW-Doppelgelenkachse zur Anwendung, die schon den kleinen VWs (mit Automatik) das Übersteuern abgewöhnt hat. Auch diese Achse ist beim 411 mit Schraubenfedern ausgerüstet, während sie bei den anderen Modellen mit Drehstabfedern arbeitet. Der 411 hatte somit eine weitgehend spurkonstante Radaufhängung und hatte keine unliebsame Übersteuerungstendenz mehr.
Die gemischte Bremsanlage mit Scheibenbremsen vorn und Trommelbremsen hinten war aus Sicherheitsgründen in zwei unabhängige Bremskreise unterteilt. In den Hinterachskreis wurde ferner ein Bremskraftregler eingebaut, der ein Überbremsen der Hinterräder verhinderte. Etwas mager wirkten an dem größeren, über 1 Tonne wiegenden Volkswagen die üblichen VW Räder mit 4 1/2 J x 15-Felgen und Reifen vom Format 155 SR 15. Allerdings gehören Gürtelreifen zur Serienausrüstung. Die meisten Typ4 Besitzer rüsten deshalb ihr Fahrzeug mit breiteren Reifen aus um einerseits die Optik zu verbessern aber auch um das Fahrverhalten noch einmal deutlich zu optimieren.